Verschickung Bad Reichenhall Sommer 1969
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Titel | Verschickung Bad Reichenhall Sommer 1969 |
Inhalt | Mein vermutliches Verschickungsjahr war wahrscheinlich 1969, Juli/ August. 6 wöchiger Heimaufenthalt in Bad Reichenhall, Heim nicht mehr bekannt. (Kinderverschickung). Ich weiß nichts mehr von der Zugfahrt, Ankunft, überwiegendem Aufenthalt, Personal dort, usw. Alles scheint wie ausgelöscht.
Ich war zu dieser Zeit 12 Jahre alt. Der Grund der Verschickung war wohl: zu dünn und Bronchitis.
Ich habe fast gar keine Erinnerung daran. Meine Aufmerksamkeit wurde erst ca. Anfang Oktober `22 im Rahmen einer Fernsehsendung „Planet-Wissen“ mit Frau Anja Röhl aktiviert. Seitdem informiere ich mich in entsprechenden Foren und Literatur. Ich bin nun 65 Jahre alt und fand lange Zeit keine Erklärung zu bestimmten Verhaltensweisen in Bezug auf Essen, Schlafen und Urinieren. Auf Grund der vielen Schilderungen anderer Betroffener, eigentlich egal in welchem Heim sie waren, bin ich heute der Meinung, dass Vieles davon vielleicht auch bei mir zutreffend war. Überwiegende Erinnerung ist jedoch wie ausgelöscht. Wenn ich jedoch die Schilderungen auf mich übertrage, erklärt das „für mich“ Verhaltensweisen, die sich zumindest seit den Jahren nach `69 durch mein Leben bis heute ziehen.
Bestimmtes Essen (z.B. Hirnsuppe (?), Milchsuppe, warmer Milchreis, Haferflocken mit warmer Milch, warme Milch allgemein mit oder ohne „Haut“ oben auf, warmer Pudding mit schwabbeliger „Haut“) kann ich nicht essen oder riechen.
Soweit ich bis in meine frühe Jugendzeit zurückdenken kann, wurde ich zur Mittagszeit immer sehr müde. Soweit möglich brauchte ich bis heute stets eine Art Mittagsschlaf, wobei ich danach aber auch nicht wirklich fit war.
Ich habe mich immer gewundert, dass es mir nicht möglich war mich vor einem Urinal zu stellen um zu urinieren, wenn Andere sich ebenfalls dort aufhielten. Da klappt gar nichts, ob es in der Schule war oder später bei der Arbeit, in Restaurants oder bei Veranstaltungen. Der Hang dabei, „vorsorglich“ eine Toilette aufzusuchen, z.B. in Pausen bei Veranstaltungen, ist bis heute geblieben. Mache ich das nicht, fühle ich mich nach den Pausen unwohl.
Nach meinen ersten Recherchen und Lesen der Schilderungen anderer Betroffener kann ich mir nun eine Verbindung zu meinem früheren Kuraufenthalt vorstellen.
Sommer `69 (?). Ich habe anhand von 2 Fotos meiner Zeit in Bad Reichenhall und eines hohen Krankheitstandes in meiner damaligen Schule mein Verschickungsjahr recherchiert. Weitere Unterlagen habe ich nicht:
- Abfahrt, vermutlich mit Zug (gemeinschaftlich mit anderen Kindern) ab Dortmund , Ankunft in Bad Reichenhall (keinerlei Erinnerung).
Schlafraum: Stahlrohrbetten, Vielbettzimmer (wie damals auch in Krankenhäusern üblich).
Schöne Natur, vor allem Berge durch Blick aus dem Fenster des Schlafraumes.
Essens-/ Aufenthaltsraum mit Spielmöglichkeiten:
- Raum kann nicht beschrieben werden. Essen zusammen mit anderen Kindern. Keine konkreten Erinnerungen bezüglich Frühstück und Abendessen. Hier habe ich mit anderen Kindern gespielt, vor allem Schach. Das Brettspiel hat mir ein anderer Junge beigebracht.
Inhalierraum:
An den Inhalierraum habe ich auch keinerlei Erinnerung. Ich weiß aber dass ich da mehrmals drin war aus Therapiegründen (?), falls es ein Inhalierraum war….
Solebad:
Das Solebad habe ich in Erinnerung. Aber nur insoweit als das ich weiß, das wir gelegentlich darin waren und das es sehr salzig war.
Personal/ Aktivitäten:
Bis auf eine Mitarbeiterin „Null Erinnerung“. Besagte Frau war jung. Vom Typ her eine sehr liebe und nette Person. Sie hat häufig mit uns im Aufenthaltsraum gesungen und dabei mit einer Gitarre begleitet. Aus einem kleinen Textbuch wurden Lieder gesungen. Ich meine überwiegend Gospelsongs. „Kumbahya, my lord“ habe ich ganz konkret in Erinnerung. Das Zusammensein mit anderen Kindern und dieser Frau mit der Hausmusik habe ich wohlwollend in Erinnerung. Es scheint heute, als ob diese Frau für eine kleinere Gruppe Jungen zuständig war, der ich auch angehörte.
Eine Bergtour habe ich in Erinnerung. Hiervon habe ich 2 Schwarz/ Weiß Fotos im Kleinformat leider nur. Ich habe sie zur besseren Kenntlichmachung mit dem Smarthphone fotografiert und so auf DIN A-4 vergrößert. Ein Foto ist brauchbar geworden dadurch. Ich meine mich darauf erkannt zu haben. Die Frau auf dem Bild könnte die zuvor genannte sein. Fast alle lachen darauf und machten einen glücklichen Eindruck (?).
Die Bergtour ging auf einen Gipfel, vermutlich Zennokopf/ Zwieselberg. Das habe ich anhand von Fotos recherchieren können. Konkrete Erinnerung daran habe ich nicht.
Kurz vor Ende des Aufenthaltes durften einige Kinder in die Stadt,z.B. um Mitbringsel einzukaufen. Ich durfte dabei sein. Andere Kinder nicht.
Ich war gehorsam, gab keine Widerworte, machte alles was von mir verlangt wurde. Dadurch hatte ich wohl keinerlei Probleme. Ich war ein Kind, was man wohl unter „lieb und gehorsam“ verstand. So wurde ich bei meinen Großeltern von meiner Großmutter erzogen, leider aber mit körperlicher und verbaler Gewalt (Züchtigungen und Bestrafungen).
Als letztes erinnere ich mich an einen Vorfall beim Mittagessen (die einzige Erinnerung). Komischerweise kreisen da zwei Erinnerungen in meinem Kopf. Kann sein, dass ich das eine mit dem anderen verwechsle oder ob das vielleicht zwei verschiedene Vorfälle waren:
Es gab Hirnsuppe……..mir wurde schlecht als der Teller vor mir stand. Der Geruch und das Wissen, es war Hirn von einem Tier, war fürchterlich. Ich traute mich nicht etwas zu sagen, konnte aber auch nicht einen Bissen davon in den Mund nehmen. Ich hatte Glück im Unglück. Einer der anderen Kinder mochte Hirnsuppe so gerne, das er seinen Teller schnell leerte und wir tauschten unseren dann aus………...gerettet! Ich hatte dann zwar nichts gegessen, aber das war in dem Moment egal.
Meine zweite Erinnerung: Ich habe die Hirnsuppe probiert. Mir wurde schlecht. Ob ich das übel riechende Hirn wieder ausspuckte oder auf den Teller erbrach, weiß ich nicht mehr. Ob das Kosequenzen hatte für mich weiß ich auch nicht. Eine vage Erinnerung ist aber da.
Eigentlich erinnere ich mich bis auf die geschilderten Ausnahmen an gar nichts.
Auch an die Heimfahrt hab ich keine Erinnerung mehr. Ich weiß aber das ich kurioserweise gerne in dem Heim in Bad Reichenhall geblieben wäre. Ich war eigentlich traurig wieder nach Hause zu müssen…………...
Ich wollte mich nach der Zeit in Bad Reichenhall nicht mehr wirklich an Regeln halten und hielt gegen alles was mich bevormunden wollte. Ich weiß nicht ob das Ausflüsse aus der Kurzeit waren oder einfach das Ergebnis meiner vorherige Erziehung. Eine positive Entwicklung begann erst mit dem Kennenlernen meiner heutigen Frau. Wir sind seit dem 16. Lebensjahr ein Ehepaar.
Da ich an meinen Kuraufenthalt in Bad Reichenhall so gut wie überhaupt keine Erinnerung habe, wäre es schön, vielleicht von anderen Betroffenen die in etwa zur selben Zeit in eine der beiden in Frage kommenden Einrichtungen waren, mehr zu erfahren. Es wird auch oft von Misshandlungen gesprochen. Das kann ich weder bestätigen noch dementieren. Auch Tests wie z.B. mit Tabletten an Kindern habe ich nicht in Erinnerung, kann aber natürlich nicht ausschließen, dass wir Tabletten einnehmen mussten. Es würde mich brennend interessieren, ob so etwas statt fand und um welche Medikamente es sich da handelte und was die bewirkten. Und es wurde hin und wieder von einem „Drucksimulationsraum“ gesprochen (?).
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