1971, Verschickung nach Nieblum/ Föhr, Haus Goltermann

1971, Verschickung nach Nieblum/ Föhr, Haus Goltermann

Sie betrachten derzeit eine Revision Titel "1971, Verschickung nach Nieblum/ Föhr, Haus Goltermann", auf 22.02.2024 um 18:43 Uhr von Chris66# gespeichert
Titel
1971, Verschickung nach Nieblum/ Föhr, Haus Goltermann
Inhalt
Kontakt: Erwünscht 1971 - ich wurde bald fünf, und meine Eltern bereiteten den Umzug in das neue Haus vor. Für 6 Wochen sollte ich daher nach Föhr verschickt werden. Ich war wohl im Wege, als jüngstes von 3 Kindern. Meine Eltern äußerst be-/überlastet durch den Neubau in überwiegender Eigenregie... Wyk@Verschickungsheime. Meine beiden älteren Geschwister waren 4 Jahre zuvor auch verschickt worden (Bad Sassendorf), aber schon nach 1 Woche wieder nach Hause entlassen, weil das Heimweh und die Windpocken dazwischen kamen. War auch nicht weiter schwierig, da der Weg dorthin nur knappe 2 Stunden betrug. In meinem Fall lag die Sache anders. Angeblich, nach Aussage meiner Mutter, wollte ich unbedingt auch so eine tolle Kinderkur erleben... mit 4-5 Jahren ... allein!? Ein Zug der Bundesbahn mit mir völlig unbekannten Begleitern ("Schau mal das sind Onkel und Tante Soundso, die sind nett") brachte mich aus dem Sauerland nach Föhr. Die Fahrt war endlos lang und ich erinnere mich noch an meine Angst vor der Fährüberfahrt, denn ich hatte auch das Meer noch nie gesehen. Alles war fremd und schon auf dem Hinweg überfiel mich fürchterliches Heimweh. Ein Schlafsaal mit ca. 20 hellblauen Betten, einem Tisch für die Mittagsaufsicht und kalte Duschen sind mir in Erinnerung. Das Rosinenbrötchen nach dem Mittagsschlaf, was bei jeder Kleinigkeit, wie "frechem Betragen" gestrichen wurde ebenso. Ich hatte so großes Heimweh, dass ich vor allem abends im Bett weinte und auch zweimal ins Bett nässte - was mir sonst nie passierte. Dafür wurde man jedoch heftig ausgeschimpft, an die Dankbarkeit für diese tolle Möglichkeit erinnert und unter die kalte Dusche im kalten Duschraum gestellt. Ich hatte einen "Freund" in meiner Gruppe, dessen großer Bruder auch dort war. Mit diesem tauschte ich häufiger mein Heimweh aus und wir weinten oft zusammen ... und wurden dafür wieder ausgeschimpft oder von den wenigen "attraktiven" Aktionen ausgeschlossen (Strandspaziergänge, Schwimmbad, Museum). Briefe/Karten wurden für mich geschrieben- natürlich war immer alles toll (was mir meine Eltern später auch immer wieder berichteten!)! Die Mittagspausen war mir ein Grauen. Wir mussten in unseren Betten still liegen und die Augen unbedingt geschlossen halten, wenn nicht, so musste man sich in die Ecke stellen. Kinder die weinten ebenso und man wurde geschimpft, wie undankbar man sei und dass die Eltern darüber informiert würden. Geschimpft wurde ohnehin sehr viel und bei jedem nur geringsten Anlass. Ich erinnere mich auch daran, dass ich immer Hunger hatte. Bis heute sind Heimweh, ein z.T. übersteigertes Harmoniebedürfnis, oder die Angst es nicht allen Recht zu machen (auch ohne Anlass) geblieben. Warum ich ein solches Heimweh hatte, kann ich mir kaum erklären, da meine Eltern mir dafür eigentlich keinen Anlass gaben. Sicher meinten sie es irgendwie gut, aber für ein Kind mit 4-5 Jahren war dies nur schwer nachzuvollziehen. Ich fühlte mich jedenfalls abgeschoben - an das Ende der Welt... Die spätere Aufarbeitung mit meinen Eltern scheiterte übrigens kläglich, sie konnten mein Leiden nicht nachvollziehen. Auch mir selbst konnte ich jahrelang diese traumatischen Erlebnisse eingestehen, teils habe ich mich auch dafür geschämt und Undankbarkeit unterstellt.  Von daher bin ich froh, dass es ein solches Forum gibt und ich nicht allein mit meinem Erleben bin!
Textauszug
Fußnoten


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22.02.2024 um 17:43 Uhr Chris66#