Waisenhaus 1954

Waisenhaus 1954

Ich war 1954 ca 9 Monate in Köln Mülheim in dem Waisenhaus der Franziskanerinnen aus Nonnenwerth St.Elisabeth in der Elisabeth-Breuerstrasse.

Ich bin 1950 geboren, war also 4 Jahre alt und nur zum Übergang dort, da mein Vater aus der DDR geflüchtet war und für diese Zeit keine andere Bleibe für mich fand, bis meine Mutter die Möglichkeit fand, zu uns zu kommen.

Da ich noch so jung war, sind meine Erinnerungen der Fakten unsicher.

Meine emotionalen Erinnerungen sind jedoch messerscharf.

Den Tag verbrachten wir kleinen Kinder in einer dunklen alten Turnhalle, deren Fenster weit über unseren Köpfen begannen. Vom Leben draußen sahen wir nichts. Die Halle war mit Brettern in kleine Ställe aufgeteilt, in denen sich jeweils etwa 12 Kinder befanden. Wegen der Höhe der Verschläge konnten wir auch die Kinder in den anderen Verschlägen nicht sehen. Wir waren den ganzen Tag von einem schwer erträglichen Lärm umgeben. Zu den Essenszeiten kamen die Schwestern mit Leiterwagen und großen Kesseln und stellten von oben her Blechtöpfe und Löffel und meist Suppe in den Verschlag und zogen weiter in der Runde. Die anderen Kinder stürzten sich mit Geschrei und Ellenbogen auf das Essen. Da ich sehr behütet in einer bürgerlichen Familie aufgewachsen war, wusste ich gar nicht, was ich tun sollte und bekam entweder kein Essen oder musste in der Not die Schüsseln der anderen auslecken. Die ersten 2 Wochen bin ich ernstlich krank geworden, da ich fast verhungerte. Wenn es zu laut wurde erschien der Kopf einer Schwester an dem Verschlag und schrie. Sie schlugen oft von oben wahllos auf die Köpfe.

Eine Stunde am Tag durften wir das Gebäude zu einem Spaziergang verlassen. Wir gingen in Zweierreihen durch Mülheim, jeder mit der Hand an einem langen Seil, das alle verband. Wer aus der Reihe tanzte, wurde an dem Seil festgebunden.

Nachts schliefen wir in einem riesigen Dachboden auf Stahlrohrpritschen. Vermutlich waren das Feldbetten vom Militär. Am Ende des Saales saß in den ersten Nachtstunden eine Ordensschwester, um auf uns aufzupassen. Wenn ein Kind redete, musste es oft stundenlang in seinem Nachthemdchen auf einem Holzscheit knien, bis es wieder ins Bett durfte.

Ich erinnere mich an keine Person, an die ich mich hätte wenden können, aber an viele schreiende Gesichter.

Gibt es jemand, der auch in dieser Zeit in diesem Heim war und mir helfen kann, meine Erinnerungen zu klären?

Schlagworte katholisch, Nonnen, Waisenhaus