Die „Tanten“ von Weilheim
Aksel – 2021-12-17
Verschickungsheim: Weilheim
Zeitraum-Jahr: 1979
Kontakt: erwünscht
Durch Zufall las ich im web von dieser Initiative. Bis dato dachte ich, das würde nur mich betreffen – aber es gibt mehr von uns …
1979 fand in unserer Dorfschule eine schulärztliche Untersuchung statt. Die alte Schulärztin fertigte uns im Akkord ab, ich war ihr zu dünn ->ab nach Weilheim.
Ich war 11 Jahre alt und der Wechsel aufs Gymnasium stand bevor, als ich meiner Sommerferien und -schlimmer- meiner Menschenwürde beraubt wurde.
Die Aufseherinnen mußten wir mit „Tante“ anreden. Mein skandinavischer Vorname wurde 6 Wochen lang verhohnepipelt. Die Briefe nach Hause wurden erzwungen, aber zensiert. Las die „Tante“ etwas, was ihr ehrenrührig erschient, so wurde man zur Anstaltsleiterin geprügelt. Die schlug zwar nicht, hatte aber andere Methoden kleine Kinder unbarmherzig unter Druck zu setzen.
Es gab auch eine Art Nachtwächterin, die alles hasste, was nicht katholisch war. Schlechte Aussichten für einen norddeutschen Jung. Diverse (unzählige?) Nächte, die ich im Schlafanzug frierend auf einer Holzbank hockend neben ihr verbringen mußte. Schlafentzug. Fielen mir doch die Augen zu, so schlug sie ohne Vorwarnung zu.
Und für das richtig Grobe gab es noch Toni, einen jungen Jugoslawen (<- der Ausdruck war damals noch politisch korrekt) der auf dem ehemaligen Gutshof arbeitete.
Eine „Tante“ mußte bloß Toni rufen und auf ein Kind zeigen und er schlug mit einer Mischung aus Karateschlag und Ohrfeige zu, daß man das Gefühl hatte, es würde einem der Kopf abgerissen. häufig war man minutenlang besinnungslos und nicht ansprechbar. Ich war von zu Hause aus die typische familiäre Gewalt der 70er Jahre gewöhnt – Weilheim toppte alles!
Wir wurden kaserniert in Schlafsälen untergebracht, mußten in 2er Reihen marschieren und dazu im Takt alberne bayrische Volkslieder singen. Freie Zeit, freie Bewegung oder gar freies Reden mit den „Mitgefangenen“ war nicht vorgesehen und wurde bestraft.
Bayern ist für mich eine No-Go-Area, wenn ich bayrischen Dialekt hören muß, schrillen alle Alarmglocken, ich verlasse fluchtartig den Raum – wenn es geht …